Mexikanischer Spielfilm

„Totem": Regisseurin Lila Avilés feiert die Magie des Lebens

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AUTOR/IN
Rüdiger Suchsland

Ein Tag in einer mexikanischen Großfamilie. Im weitläufigen Haus mit großem Garten finden die Vorbereitungen für ein besonderes Fest statt. Mittendrin ist die siebenjährige Sol, deren größter Wunsch es ist, endlich ihren Vater Tona wiederzusehen, für den die Feier ausgerichtet wird. Der aber ist todkrank, dieser Geburtstag wird sein letzter sein.

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Familiengeschichte aus Kinderperspektive 

Regisseurin Lila Avilés zeigt eine Familie, die mit einem großen Geburtstagsfest Abschied nimmt von einem jungen Vater, Bruder und Sohn, der bald sterben wird. Wir Zuschauer erfahren das erst nach einer Weile, denn wir nehmen das alles wahr mit den Augen des Kindes, das seinen Vater verlieren wird.

Das könnte leicht in Rührseligkeit und Kitsch münden, aber es gelingt gerade durch diese Erzählperspektive richtig gut. 

 

Filmstill
Ein Tag in einer mexikanischen Großfamilie. Die siebenjährige Sol (Naíma Sentíes) ist gekommen, um bei den Vorbereitungen zur Geburtstagsparty ihres Vaters Tona zu helfen.

Erinnerung an das Kino von Robert Altman

Dieser Film ist ein humorvoller Film; nicht zuletzt durch eine Menge Kinder.Teilweise sind es pubertierende Heranwachsende, teilweise Fünf- oder Sechsjährige, die zu dieser Familie aus drei Generationen gehören. 

Am Anfang kapiert man die einzelnen Verwandtschaftsverhältnisse in dieser Großfamilie noch nicht richtig. Alles geht ineinander über, wie im Leben, wie in den Filmen des großen Robert Altman. Es sind in etwa zwanzig Figuren, die wir kennenlernen. 

Alles ist erzählt aus der Perspektive eines jungen Mädchens. Die ist ein bisschen die Hauptfigur und vielleicht auch die Identifikationsfigur für die Regisseurin Lila Avilés.

 

Filmstill
Es wird gekocht, gebacken und geputzt, gelacht und gestritten, Geister werden ausgetrieben, Familienmitglieder und Freunde treffen ein. Unter dem schwirrenden Trubel liegt eine mit Händen zu greifende, alle und alles verbindende Spannung.

Alles wird angedeutet, wenig ist konkret

Zunächst ist es auch nicht klar, dass der Vater sterben wird. Eine Weile lang bekommt man nur mit: Der Vater möchte die Tochter nicht sehen. Man begreift, dass seine Krankheit schwer ist. Es ist alles mehr zu ahnen, als dass es wirklich ausgesprochen wird.

Vieles bewegt sich im Ungefähren, in einem Zwischenraum, der vielleicht der originäre Raum des Kinos ist. Genau das lässt die Möglichkeit, dass wir Zuschauer selber diesen Raum füllen und etwas hineinprojizieren, dass wir auch unsere Perspektiven wechseln.

Man weiß nicht genau, worauf das alles zuläuft. Aber es hat immer trotz des ernsten Subtextes etwas unglaublich Leichtes. Dauernd wird gegessen und gekocht und gebacken.

Trailer „Totem“, ab 9.11. im Kino

Ein wunderbarer Film

Die Kinder machen auch viel Quatsch miteinander und mit den Erwachsenen, sie gehen einem zwischendurch auch richtig auf die Nerven. Man ist also als Zuschauer Teil der Familie mit allen Gefühlen. Dabei erlebt man eine wunderbar funktionierende Familie, gerade weil sie nicht immer funktioniert.

Regisseurin Avilés zeigt aber auch den Ausnahmezustand von alltäglichen Verhältnissen, in denen eine ganze Familie versucht, den Sohn, zu retten. 

Geldnot und Psychoanalyse, Kinderperspektive und Elternliebe: Das sind nur einige der vielen Themen, die in diesem Film eine Rolle spielen. Sie werden ab und zu als eine Art Solo in den Vordergrund gerückt, um dann wieder zurückzutreten, und zugleich aber doch latent präsent zu bleiben. Ein wunderbarer Film!

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